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In dem markenrechtlichen Verfahren geht es um den dreidimensionalen mono-monostatischen Körper namens „Gömböc“. 2006 haben die ungarischen Mathematiker Gábor Domokos und Péter Várkony dieses Gebilde mit einer stabilen und einer labilen Gewichtslage entdeckt, nachdem sie 20 Schildkröten eingescannt und am Computer bearbeitet hatten. Der Panzer der Tiere besitzt nämlich dieselbe Eigenschaft: die schwere Seite rollt stets nach unten.
Die Eintragung dieses homogenen Stehaufmännchen wurde von der Klägerin beim ungarischen Amt für Geistiges Eigentum als „dekorative Gegenstände und Spielzeug“ beantragt. Aufgrund der absoluten Schutzhindernisse für Formmarken in Art. 3 Absatz 1 Buchstabe e Nummer ii und iii RL 2008/95 wurde die Eintragung abgelehnt, da die in dem beantragten Zeichen erscheinende Form zur Schaffung der technischen Wirkung notwendig sei und ein prägnantes Design besitze, welches ein wichtiger Punkt für den Vertrieb sei.
Das ungarische Gericht, das sich mit dem Fall beschäftigte, zweifelte die Vereinbarkeit dieser Einschätzung mit dem Unionsrecht an. Die technische Wirkung wäre nämlich nicht aus der grafischen Darstellung in der Markenanmeldung zu erkennen. Es würde viel mehr das Wissen benötigt, dass der homogene Körper wegen seiner speziellen Struktur stets in dieselbe Position zurückkehrt.
Der EuGH wurde von dem Gericht befragt, ob bei der Anwendung der Eintragungshindernisse gemäß Art. 3 Absatz 1 Buchstabe e Nummer ii und Nummer iii RL 2008/95 ebenfalls die Sicht der Verkehrskreise oder ihre Kenntnis von der grafisch dargestellten Ware zu beachten seien. Zudem muss man sich fragen, ob bezüglich der dekorativen Funktion des Produkts und dem vorliegenden Geschmacksmusterschutz der Form des Gömböc, der Schutz dekorativer Gegenstände als Formmarke ohnehin von Beginn an zu verneinen sei.
Der Geschmacksmusterschutz besitzt jedoch andere Voraussetzungen als diejenigen in Art. 3 Absatz 1 Buchstabe e Nummer iii RL 2008/95. Laut EuGH könne man nicht davon ausgehen, dass der musterrechtliche Schutz des "Gömboc" nicht von vornherein zu einem Ausschluss des Markenschutzes führe. Es sei durchaus möglich, dass man aus anderen Gesichtspunkten als der Form, den Wert der Sache erkennen könne, wie der Art ihrer Herstellung, der Entwicklung ihrer Gestaltung, der Inhaltsstoffe oder der Namen ihrer Erfinder.
Die Behörde muss vergleichen, ob die Voraussetzungen für die Anwendung des Eintragungshindernisses in Art. 3 Absatz 1 Buchstabe e Nummer iii der RL 2008/95 greifen. Dann wird entschieden, in wie weit das Zeichen bloß aus der Form gebildet wird, die für den entscheidenden Wert des Körpers sorgt. Fraglich ist, ob diese Form so spezielle Merkmale inne habe, dass sie gleichzeitig auch für die hohe Attraktivität der Ware sorge, so dass es zu einer Verfälschung des Wettbewerbs auf dem jeweiligen Markt kommen könnte, wenn sie bloß einem Unternehmen gehöre.
Als Beurteilungskriterium zur Ermittlung der wichtigsten Merkmale des Zeichens, könnte man die Wahrnehmung eines Durchschnittverbrauchers heranziehen, ob es für sie als haptisches Symbol einer mathematischen Entdeckung deutlich erkennbar sei. Die Verbraucher müssten aus objektiven Gründen heraus das Produkt kaufen wollen und nicht unbedingt wegen der ästhetischen Vorzüge der Form. Der EuGH berücksichtigt ebenfalls die Verkehrsauffassung im Rahmen der Eintragungshürde in Art. 3 Absatz 1 Buchstabe e Nummer ii RL 2008/95 durch die Ermittlung der entscheidenden Gesichtspunkte der Ware.
Um herauszufinden, ob das Merkmal eine technische Funktion der Ware erfüllt ist, müsste man dies einer objektiven Grundlage und sicheren Informationen entnehmen. Nicht notwendig ist es, dass es aus der grafischen Darstellung des Zeichens erfolgt. Jedoch verfügen die Verkehrskreise häufig nicht über die nötige Erfahrung, um die technischen Verbindungen zu verstehen. Daher müsste ihre Sicht ausgeschlossen werden.
Die EuGH Entscheidung, den Geschmacksmusterschutz einer dekorativen Formgestaltung nicht ausreichen zu lassen, damit ein gleichzeitiger Markenschutz ausgeschlossen wird, erinnert an ein früheres Urteil. In der Beziehung zwischen Geschmacksmuster- und Urheberrechtsschutz hat der EuGH die Eigenständigkeit der Rechtsmaterien ausdrücklich bestätigt. Somit wurde eine Häufung der Schutzrechte ermöglicht.
Dies folgt der EuGH Rechtsprechung bezüglich der Eintragungshindernisse in Art. 3 Absatz 1 Buchstabe e RL 2008/95, wo die Ausschlussgründe eher weit ausgelegt wurden.
Bereits im EuGH Urteil vom 18.09.2014 zum Fall Hauck/Stokke wurde festgestellt, dass die Sicht der Verbraucher ebenfalls bei der Entscheidung wichtig sei, ob die Form der Ware bestimmt, wie kommerziell erfolgreich sie ist. Zudem wäre ein Eintragungshindernis gleichermaßen auf ein Zeichen anzuwenden, welches aus der Form einer Ware mit einer Vielzahl von Eigenschaften besteht und somit in vielerlei Hinsicht einen besonderen Wert haben könnte.
Vom Markenschutz sind diejenigen Formgebungen ausgeschlossen, deren Besonderheit dem Gebrauchszweck der Ware dient oder für typische Erwartungen bei den Verbrauchern aufgrund des Aussehens sorgt. Der BGH wendet nun eine weite Auslegung des § 3 Absatz 2 Nummer 3 Markengesetz (MarkenG) an: Er hat die Ausschlussgründe um die Art von Merkmalen erweitert, die in hohem Maße die kommerzielle Entscheidung der Verbraucher bestimmt.
Im Fall des „Gömböc“ muss man daher leider sagen, dass es gemäß Art. 3 Absatz 1 Buchstabe e Nummer ii RL 2008/95 als „Spielzeug“ nicht als Marke zu schützen ist. Seine besondere Form ist notwendig, um die technische Wirkung, die es zu einem Stehaufmännchen macht, zu garantieren und gerade diese Eigenschaft der Ware sorgt für seine Attraktivität im Verkehr.
Folglich können Verkehrskreise nicht dahingehend befragt werden, ob eine Verbindung zwischen Form und technischer Wirkung existiere. Obwohl diese Wirkung hier aus mathematischen Grundsätzen resultiert, die objektive und verlässliche Information darstellen.
Ebenfalls der Formschutz bezüglich „dekorativer Gegenstände“ ist nach Art. 3 Absatz 1 Buchstabe e Nummer iii RL 2008/95 ausgeschlossen.
Ihre mathematisch geprägte Form und die Entwicklungsgeschichte sorgen gerade für ihre kommerzielle Bedeutung als Designobjekt. Wie die Markenämter mit diesem Kriterium im Eintragungsverfahren umgehen sollen, wenn davon auszugehen ist, dass die Ware höchstwahrscheinlich noch gar nicht zum Kauf erhältlich sein wird und es damit auch an einer sicheren Grundlage für die Festlegung von Verbrauchererwartungen fehle, bleibt fraglich.
Der EuGH sagt zwar aus, dass ein entscheidender Wert ebenfalls aus anderen Punkten folgen könne. Da für das Eintragungshindernis jedoch bereits die Kaufentscheidung der Verbraucher sehr stark von den wesentlichen Merkmalen der Form geprägt wird, werden andere Fälle selten vorkommen. Das Markenrechtsmordernisierungsgesetz hat zudem im Wege der Umsetzung von Art. 4 Absatz 1 Buchstabe e RL 2015/243 die Ausschlussgründe in § 3 Absatz 2 MarkenG auf „andere charakteristische Merkmale“ des Produkts ausgeweitet. So sind nun auch Merkmale vom Markenschutz ausgeschlossen, die dem Produkt einen entscheidenden Wert geben. Diese Unterscheidungskraft wird die Form aber meist nicht innehaben.
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