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| Datenschutzrecht, Wettbewerbsrecht

Ungewollte Nachfragewerbung am Telefon ist unzulässig


Mögliche Kunden zu Werbezwecken anzurufen, ohne dass eine Einwilligung vorliegt, ist unzulässig. Und zwar auch dann, wenn es sich um sog. Nachfragewerbung handelt. Dies hat das Oberverwaltungsgericht des Saarlandes in einem Urteil vom 20. April 2023 (Az. 2 A 111/22) weiter ausgearbeitet.

Restesammeln als Geschäftsmodell

Die Klägerin ist europaweit im Bereich des Ankaufs von Edelmetallresten von Zahnarztpraxen und Dentallaboren tätig. Hierfür betreibt sie Kundenakquise, indem sie aus öffentlich zugänglichen Verzeichnissen die Kontaktdaten von Zahnarztpraxen ermittelt. Daraufhin ruft sie sie an und erklärt beim ersten Anruf erstmal ihre Dienstleistung. Auf Nachfrage erklärt sie dann auch das weitere Prozedere, wobei eine Verarbeitung der gesammelten Daten erfolgte.

Es wird also am Telefon gefragt, ob die Praxis nicht Edelmetallreste verkaufen möchte. Doch eine bestimmte Praxis nahm sich vor, gegen diese Art von Anrufen vorzugehen. Sie bat die Klägerin, über ihre Datenbearbeitungsvorgänge aufzuklären. Sodann forderte sie sie zur nachweislichen Löschung der (ohne ausdrücklich erklärte Einwilligung) gespeicherten Daten auf.

Sollte das nicht geschehen, wurde ein Zwangsgeld i.H.v. 2.500 € angeordnet. Rechtlich wurde dieser Bescheid vom 10. Januar 2017 maßgeblich auf die damals geltende Fassung des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) gestützt.

Verzweifelter Rückgriff auf die DSGVO

Die Klägerin versuchte damals bereits, gerichtlich dagegen vorzugehen. Ihre Klage wurde jedoch vom zuständigen Verwaltungsgericht abgewiesen und eine Berufung nicht einmal zugelassen.

Ab dem 25.5.2018 trat die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) in Kraft und löste das BDSG in wesentlichen Punkten ab. Nun versuchte die Klägerin es erneut, mit der Ansicht, dass der Bescheid mit dem Inkrafttreten der DSGVO nun doch unwirksam geworden wäre.

Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO ermögliche eine flexible, dreistufige Interessensabwägung.

Rechtmäßigkeit der Verarbeitung

Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO beschreibt einen Unterfall der rechtmäßigen Datenverarbeitung.

Danach ist die Verarbeitung rechtmäßig, wenn sie zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich ist, sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen.

Insbesondere dann, wenn es sich bei der betroffenen Person um ein Kind handelt.


Klägerin sah Telefonwerbung als rechtmäßig

Das Interesse der Klägerin an der Erhebung und Verwertung der streitgegenständlichen Datensätze liege in der hierdurch begründeten Möglichkeit der Nachfragewerbung und der darin liegenden Möglichkeit eines Vertragsabschlusses mit dem Angerufenen. Da die Gewinnerzielungsabsicht Teil des wirtschaftlichen Interesses eines jeden Kaufmanns darstelle, sei das von ihr verfolgte Interesse als „berechtigt“ i.S. des Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO anzusehen. Daneben sei das von ihr verfolgte Interesse der Nachfragewerbung als notwendiger Zwischenschritt zum Vertragsabschluss schon für sich gesehen als „berechtigtes Interesse“ i.S. des Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO anzusehen.

Bei der Frage, ob die erfolgte Datenerhebung zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen erforderlich sei, gehe es lediglich darum, ob nicht ein gleich gut geeignetes, aber weniger stark eingreifendes Mittel zur Verfügung stehe. In diesem Zusammenhang sei darauf hinzuweisen, dass der initiale Anruf im Schnitt lediglich ca. eine Minute andauere. Der Kontakt sei daher geringfügig. Daher stelle die Kontaktaufnahme mittels Telefon im Vergleich zu einer Kontaktaufnahme mittels Brief oder mittels Telefax die deutlich mildere Variante dar.

Im dritten und letzten Prüfungsschritt seien die unterschiedlichen Rechtspositionen gegeneinander abzuwägen. Eine Datenverarbeitung sei nach neuer DSGVO-Lage nur noch dann ausgeschlossen, wenn die Interessen und Rechte des Betroffenen die berechtigten Interessen des Verantwortlichen überwögen; eine gleichrangige Betroffenheit der datenschutzrechtlich relevanten Interessen der betroffenen Personen genüge nicht mehr.

§ 7 Abs. 2 Nr. 2 des Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) sei nicht zu beachten.

§ 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG (Alte Fassung):

Eine unzumutbare Belästigung ist stets anzunehmen [...] bei Werbung mit einem Telefonanruf gegenüber einem Verbraucher ohne dessen vorherige ausdrückliche Einwilligung oder gegenüber einem sonstigen Marktteilnehmer ohne dessen zumindest mutmaßliche Einwilligung.

Diese Regelung steht heute in § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG.


> Hier mehr zur Werbung im Wettbewerbsrecht.

Laut der Klägerin sei diese Regelung richtlinienkonform dahingehend auszulegen, dass sie lediglich die Direktwerbung und nicht auch die - weniger einschneidende - Nachfragewerbung erfasse. Es sei ohnehin von einer mutmaßlichen Einwilligung der Zahnärzte auszugehen. Denn es wäre in ihrem Interesse, von einer Verkaufsmöglichkeit der Edelmetallreste zu hören.

Arztpraxis selbst schuld am Anruf?

Darüber hinaus sei in die Interessensabwägung einzustellen, dass die Datensätze öffentlich zugänglich gemacht worden seien. Wer seine (geschäftlichen) Kontaktdaten in frei öffentlich zugänglichen Quellen einsehbar mache, mache hierdurch deutlich, dass er kein besonderes hohes Privatheitsinteresse an diesen Datensätzen habe. Dies gelte insbesondere für den hier vorliegenden Fall der Nachfragewerbung, bei der dem Betroffenen nichts verkauft werden solle.

Erste Klage scheiterte

Die Beklagte sah das anders. Auch nach dem Inkrafttreten der DSGVO sei die Praxis der Klägerin nicht gestattet. Die Telefonwerbung sei bereits aufgrund der nicht zu bejahenden Legitimation nach § 7 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 UWG nicht als berechtigt im Sinne des Art 6 Abs. 1 lit. f DSGVO anzuerkennen.

Das zuständige Verwaltungsgericht gab der Beklagten recht und wies die Klage ab. Es sei maßgeblich, dass sich das Datenschutzrecht hinsichtlich der Frage, ob das Verhalten der Klägerin damit vereinbar sei, nicht maßgeblich verändert habe. Auch nach dem jetzt gültigen Recht widerspreche das von der Klägerin betriebene Geschäftsmodell, nämlich Zahnärzte ohne deren ausdrückliche Einwilligung anzurufen, um von diesen Edelmetallreste anzukaufen, und die damit verbundene Datenverarbeitung dem gültigen Datenschutzrecht. Es sei keiner der Erlaubnistatbestände des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 DSGVO erfüllt.

Das UWG könne sehr wohl herangezogen werden. Selbst wenn man dennoch einen Rückgriff auf Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO im Falle einer - hier fehlenden - Einwilligung des Betroffenen grundsätzlich als möglich erachten würde, wäre ein berechtigtes Interesse der Klägerin vorliegend bereits aufgrund der wettbewerbswidrigen Verarbeitung zu verneinen.

Aus Sicht des Gerichts sei es ohne Bedeutung, dass die Anrufe nach Angaben der Klägerin im Rahmen einer „Nachfragewerbung“ erfolgten. Auch eine mutmaßliche Einwilligung sei nicht gegeben.

OLG Saarland lässt Berufung abschmettern

Die Klägerin legte gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berufung ein. Laut dem OLG Saarland ist diese jedoch unbegründet, da der angegriffene Bescheid rechtmäßig war.

Die Bestimmungen der DSGVO stellten keine Änderung der Rechtslage zu Gunsten der Klägerin dar. Das Vorgehen der Klägerin erweise sich nach neuer Rechtslage als unzulässig.

Danach sei für die Beurteilung der Zulässigkeit einer Verarbeitung personenbezogener Daten für Zwecke der Direktwerbung die in Art. 6 Abs. 1 lit. a DSGVO genannte Einwilligung oder eine Interessenabwägung nach Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO notwendig. Der Art. 7 DSGVO bestimme, unter welchen Voraussetzungen eine Einwilligung eine rechtwirksame Grundlage für eine rechtmäßige Verarbeitung personenbezogener Daten darstellt.

Für alle anderen in Art. 6 Abs. 1 b bis e DSGVO getroffenen Regelungen, unter denen eine Datenverarbeitung rechtmäßig ist, lägen im vorliegenden Fall offensichtlich die Voraussetzungen nicht vor. Auch eine Einwilligung im Sinne einer aktiven Zustimmungshandlung nach Art. 6 Abs. 1 a DSGVO liege nicht vor, da die Voraussetzungen des Art. 7 DSGVO, der die Anforderungen an die Einwilligung festlegt, für die von der Klägerin betriebene telefonische Werbeansprache offensichtlich nicht gegeben seien.

Keine Einwilligung bedeutet ungewollt

Wie das Verwaltungsgericht in seiner Entscheidung zutreffend angenommen habe, lägen die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 f DSGVO nicht vor, weil die von der Klägerin praktizierte telefonische Werbeansprache von Zahnärzten nicht den Anforderungen des § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG (Alte Fassung) entspreche.

Das UWG könne auch herangezogen werden. Denn Art. 13 Abs. 3 der Richtlinie 2002/58/EU erlaube ausdrücklich mitgliedstaatliche Regelungen, nach denen Telefonwerbung ohne Einwilligung des betroffenen Teilnehmers nicht gestattet ist. Werbeanrufe gegenüber Verbrauchern im sog. B2C-Verhältnis (sog. Business to Consumer “B2C“- Beziehungen) bräuchten also eine ausdrückliche Einwilligung, die vorliegend fehle.

Werbeanrufe gegenüber sonstigen Marktteilnehmern (sog. Business to Business „B2B“- Beziehungen) seien nur mit deren mutmaßlicher Einwilligung zulässig. „Marktteilnehmer“ ist nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG neben Mitbewerbern und Verbrauchern auch jede weitere Person, die als Anbieter oder Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen tätig ist. Für eine mutmaßliche Einwilligung bräuchte es ein aufgrund konkreter tatsächlicher Anhaltspunkte sachliches Interesse des Anzurufenden. Das liege nicht vor, es handelte sich um ungewollte Werbeanrufe.

Klägerin hatte kein berechtigtes Interesse

Selbst wenn man unter Einbeziehung der Vorschrift des § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG die Anwendbarkeit des Art. 6 Abs. 1 f DSGVO vorliegend grundsätzlich als möglich erachten würde, wäre ein berechtigtes Interesse der Klägerin zu verneinen. Denn bereits die wettbewerbswidrige Verarbeitung der Daten könne nicht berechtigt sein. Folglich fiele auch eine Interessenabwägung zu ihren Lasten aus.

Schließlich sei der Begriff Werbung ist in der DSGVO oder dem UWG nicht definiert. Dem Gesetz sei daher eine Unterscheidung zwischen Direkt- und Nachfragewerbung fremd. Somit unterlag die Klägerin in allen Gesichtspunkten.


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