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Urlaubsanspruch: Verfall und Verjährung


BAG: Mitwirkungsobliegenheit des Arbeitgebers ist entscheidend

Seit Ende 2020 bis Anfang 2023 hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) in einer Vielzahl von Grundsatzentscheidungen wiederholt die Anpassung des nationalen Urlaubsrecht an die europäischen Vorgaben vorgenommen. Zum Beispiel im Bezug auf das Thema Verjährung von Urlaubsanspruch. Gerade in der Praxis ist dies besonders relevant.

In den letzten Jahren kam es nämlich im Arbeitsrecht bezüglich des Urlaubsrechts zu einigen Veränderungen, die durch Urteile des Europäischen Gerichtshofs (EUGH) angestoßen wurden.

Nachdem der EUGH 2018 die EU-Arbeitszeit-Richtlinie (RL 2003/88/EG) ausgelegt hatte, wurden Arbeitgeber daraufhin angewiesen, ihren Arbeitnehmern konkret und transparent zu ermöglichen, von ihrem bezahlten Jahresurlaub Gebrauch zu nehmen. Die Arbeitnehmer müssen vom Arbeitgeber informiert werden, dass der Urlaub ansonsten am Ende des Bezugszeitraums erlöschen wird. Diese Information muss in individualisierter und nachweisbarer Art und Weise stattfinden. Pauschale Mitteilungen sind nicht ausreichend. Ebenso muss überprüft werden, ob gegebenenfalls Urlaubsansprüche aus der Vergangenheit noch existieren, die wegen einer Nichtbeachtung der Mitwirkungsobliegenheit weiterhin bestehen und dementsprechend in die Mitteilung mitaufgenommen werden müssen.

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Durch diese Mitwirkungsobliegenheit des Arbeitgebers hat der EUGH es geschafft, das deutsche Urlaubsrecht neu auszuformen. Das Schicksal des Resturlaubs liegt nun nämlich signifikant in der Einflusssphäre des Arbeitgebers anstatt in der Sphäre des Arbeitnehmers.

Daher müssen Urlaubsansprüche stets unionsrechtskonform ausgelegt werden. Die Rechtsprechung des BAG besagt, dass ein Urlaubsanspruch nur im Sinne des § 7 Absatz 3 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) verfallen könne, wenn der Arbeitgeber seiner Mitwirkungsobliegenheit nachgekommen ist. Hat der Arbeitnehmer den Anspruch auf Urlaub nicht wahrgenommen, obgleich er vom Arbeitgeber ausreichend informiert und ihm ermöglicht wurde, den Urlaub im Urlaubsjahr einzureichen, könne der Mindesturlaub verfallen. (BAG, Beschluss vom 07.10.2020 – 9 AZR 401/19)  Bezüglich individualvertraglichen und tarifvertraglichen Zusatzurlaub können abweichende Regelungen bestehen.


Wann verfällt der Urlaubsanspruch bei Nichtbeachtung der Mitwirkungsobligenheit?

Kann der Arbeitnehmer aufgrund von gesundheitlichen Gründen seinen Urlaub im Urlaubsjahr oder im gesetzlichen Übertragungszeitraums bis zum 31. März des folgenden Jahres  nicht wahrnehmen, urteilte das BAG am 07.08.2012 (9 AZR 353/10), dass der Urlaubsanspruch eines Arbeitnehmers, der innerhalb oder während des Urlaubsjahres arbeitsunfähig erkrankt ist, bei dauerhafter Arbeitsunfähigkeit erst nach 15 Monaten verfalle. Dies sei unabhängig davon, ob der Arbeitgeber seiner Mitwirkungsobliegenheit nachgekommen ist, da hier allein die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers entscheidend für den Verfall des Urlaubsanspruchs sei.

Der Urlaubsanspruch verfalle nach 15 Monaten wiederum nicht, wenn der Arbeitnehmer im Urlaubsjahres seiner Arbeit nachgekommen war, bevor er arbeitsunfähig erkrankt ist und der Arbeitgeber dabei seine Mitwirkungsobliegenheit nicht beachtet hat, so der EUGH  in seinem Urteil vom 22.09.2022 (C-518/20 ; C-727/20).

Damit ein Urlaubsanspruch verfalle, müsse der Arbeitgeber daher dem Arbeitnehmer vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit ermöglichen, von seinem Urlaubsanspruch Gebrauch zu machen.. (BAG Urteil vom 20.12.2022 - 9 AZR 245/19).

In seiner Entscheidung vom 31.01.2023 (9 AZR 107/20) setzte das BAG zudem fest, dass der Arbeitgeber unverzüglich nach Entstehung des Urlaubsanspruchs seiner Mitwirkungsobliegenheit nachkommen müsse. Mit unverzüglich sei eine Wochenfrist von etwa 5-6 Werktagen gemeint. Betriebsferien könnten eine noch längere Unterrichtungsfrist auslösen.

Sollte der Arbeitnehmer in diesem Zeitraum erkranken, verfalle der Urlaubsanspruch nach höchstens 15 Monaten nach Ende des Urlaubsjahres. Dies gelte auch wenn der Arbeitgeber seine Mitwirkungsobliegenheit nicht beherzigt hat. Denn nach dem BAG, trage der Arbeitnehmer bis zum Ende der Wochenfrist das Risiko, dass sein Urlaubsanspruch aufgrund einer andauernden Erkrankung verfällt.

Wenn der Arbeitgeber seine Mitwirkungsobliegenheit nicht beachtet hat, stehe dem unterjährig  arbeitsunfähig erkrankten Arbeitnehmer nicht automatisch ein unverfallbarer Urlaubsanspruch zu. Sondern nur, wenn der Arbeitnehmer so früh im Jahr erkrankt ist, dass er selbst bei ordnungsgemäßer Belehrung des Arbeitgebers nicht den gesamten Urlaub hätte nehmen können.

Wann verjährt ein Urlaubsanspruch laut Bundesarbeitsgericht?

Das BAG beschäftigte sich in den letzten Jahren jedoch nicht nur mit dem Verfall von einem Urlaubsanspruch, sondern ebenso mit der Verjährung von einem Urlaubsanspruch bei mangelnder Mitwirkungsobliegenheit des Arbeitgebers.

So entschied das BAG in einen Fall, wo eine Arbeitnehmerin nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses von ihrem Arbeitgeber Abgeltung für Urlaubsansprüche aus vergangenen Urlaubsjahren von insgesamt 101 Arbeitstagen forderte. Zwar war der Arbeitgeber für diesen Zeitraum seiner Mitwirkungsobliegenheit nicht nachgekommen, jedoch sah er die Urlaubsansprüche bereits als verjährt an und weigerte sich die Ansprüche abzugelten. Nachdem die Arbeitnehmerin in zweiter Instanz teilweise erfolgreich war, legte der Arbeitgeber gegen die Entscheidung Revision beim BAG ein.

Woraufhin das BAG den EUGH bezüglich der Verjährung von Urlaubsansprüchen bei fehlender Mitwirkungsobliegenheit des Arbeitgebers befragte. Der EUGH entschied in seinem Urteil vom 22.09.2022 (C-120/21), dass die Urlaubsansprüche nicht verjähren, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer nicht ermöglicht hat, seine Urlaubsansprüche wahrzunehmen.

Das BAG setzte dann in seinem Urteil vom 20.12.2022 (9 AZR 266/20) die EUGH-Rechtsprechung um, indem es entschied, dass die Regelungen der Verjährung auf den Mindesturlaub anwendbar seien. Die regelmäßige Verjährungsfrist von 3 Jahren beginne jedoch erst Ende des Jahres, wo der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber informiert wurde und der Arbeitnehmer trotzdem nicht seinen Urlaubsanspruch wahrgenommen hat.

Im vorliegenden Fall führte die Nichtbeachtung der Mitwirkungsobliegenheit dazu, dass die Revision des Arbeitgebers erfolglos blieb und der Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers am Ende des Kalenderjahres und des Übertragungszeitraums nicht verfiel.

In einem Urteil vom 31.01.2023 (9 AZR 456/20) hat der BAG betont, dass ein Urlaubsabgeltungsanspruch, der wegen der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses entstanden ist, als Geldanspruch nach 3 Jahren verjährt.

Diese regelmäßige Verjährungsfrist dürfe jedoch dann nicht beginnen, wenn eine Anklageerhebung wegen einer konträren Rechtsprechung nicht tolerierbar sei. Ähnliches hat der BAG bei tarifvertraglichen Ausschlussfristen entschieden (Urteil vom 6.11.2018 - C-684/16).


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