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| Medienrecht, Urheberrecht

Urteil: Synchronsprecherleistung urheberrechtlich geschützt


Im Urheberrecht stellt sich stets die Frage, was noch vom Schutzumfang des Rechts erfasst ist. Das LG Hamburg hatte am 10. Mai 2024  in einem Urteil (Az.: 310 O 214/23) über die Schutzfähigkeit bestimmter Leistungen zu entscheiden. Es ging dabei um die Tätigkeiten als Synchronsprecher, Synchronregisseurin und Dialogbuchautor. Nach Auffassung des Gerichts sind alle diese Tätigkeiten vom Urheberrechtsgesetz (UrhG) geschützt.

Animationsserie als Streitgegenstand

Insgesamt gab es 11 Kläger, die alle an derselben Animationsserie mitwirkten. Die Serie wird im Urteil mit „R. H. – S. von S1“ abgekürzt. Die Kläger 1 bis 9 sind als Sprecher der deutschen Synchronstimmen des Hauptcasts der Serie tätig geworden; spielten also eine zentrale Rolle in der deutschen Übersetzung.

Klägerin 10 ist die Synchronregisseurin aller Folgen der Serie sowie die Dialogbuchautorin von 59 Folgen der Serie. Kläger zu 11 ist der Dialogbuchautor von 45 Folgen. Doch was beinhalten diese Tätigkeiten? Nun, wenn eine Serie im Original auf einer anderen Sprache produziert wird, müssen Synchronsprecher sie bspw. ins Deutsche übersetzen. Hierfür müssen sie aber zuerst ein Skript erhalten, das möglichst perfekt auf die Originalaufnahme passt.

Zunächst erschafft der Dialogbuchautor also die deutschen Texte. Der Synchronregisseur hat dann die Aufgabe, bei der Synchronisation von Filmen und Fernsehserien die einzelnen Synchronsprecher zu koordinieren. Er achtet auf Timing und Timbre der Sprecher und überprüft, ob die synchronisierten Dialoge die gleiche Wirkung haben wie in der Originalfassung.

Unternehmen bezahlte die Künstler nicht

Nachdem die 11 Kläger also an der Serie mitgewirkt hatten, übertrugen sie umfangreiche Nutzungsrechte gegen Zahlung eines angemessenen Honorars auf die Produktionsfirma. Die Serie wurde seitdem wiederholt auf Sendern wie ARD und ZDF ausgestrahlt; die Folgen der ersten Staffel mehr als 45-mal im deutschen Fernsehen.

Die Serie ist auch bei mehreren kostenpflichtigen Internet-Streaming-Anbietern verfügbar, darunter Netflix, Amazon Prime, Google Play Filme und Serien, Apple TV, iTunes, MagentaTV, RTL Plus und Kika.de. Darüber hinaus sind die Folgen der Serie insbesondere auch als Hörspiele in Form von CDs und im Internet kostenpflichtig abrufbar u.a. über Amazon, Spotify, iTunes, Audible, Deezer und Weltbild.de.

Die Kläger wurden für weitergehende Auswertungsformen (Bildtonträger, Tonträger, Streaming) jedoch von den wechselnden Inhabern der Nutzungsrechte nie bezahlt. Am 11. April 2022 wandte sich der erste von ihnen an die Beklagte, da die Serie kostenpflichtig auf Tonträgern verwertet wurde und er hierfür weder bezahlt wurde noch namentlich aufgeführt wurde.

Streit entbrannte

Die Beklagte antwortete, dass sie die Nutzungsrechte erhalten habe und der Auffassung sei, dass mit dem ursprünglich gezahlten Honorar sämtliche Nutzungen abgegolten seien. Sie bot dem Kläger trotzdem eine einmalige Zahlung in Höhe von 500,- EUR und die namentliche Nennung bei künftigen Folgeauflagen gegen Unterzeichnung einer umfassenden Verschwiegenheitserklärung an. Dem Kläger erschien das zu wenig, wonach sie das Angebot auf einmalig 1.500,- EUR erhöhte.

Das war noch immer zu wenig; somit schlossen sich die anderen Kläger dem Begehren an und klagten gemeinsam. Kernpunkt der Klage ist das Urheberrechtsgesetz, wonach es eine individuell-gestalterische Leistung bräuchte. Diese war aus Sicht der Kläger gegeben. So hatte es individuelle Castings gegeben, um die bestmöglichen deutschen Stimmen zu finden. Sie hatten sich in die Rollen eingearbeitet und sie zum Leben erweckt.

Um ein Dialogbuch zu erstellen, muss das fremdsprachige textliche Werk dramaturgisch und sprachlich zu einer deutschen Werkfassung umgestaltet werden. Hierfür müssten unter anderem kulturelle Besonderheiten des Ursprungslands beachtet werden. Dabei stünden dem Autor gestalterische Freiheiten zur Verfügung, um eine sach- und themengerechte Übersetzung zu gewährleisten. Synchronregie erfordere außerdem wie beim Film oder auf der Bühne eine Momenttätigkeit, die den Sprecher kreativ anleite, um die Rollen auf eine bestimmte Art und Weise zu vertonen.

Beklagte sah keine künstlerische Tätigkeit

Die Beklagte nahm natürlich die Gegenposition an, wonach keine der Tätigkeiten vom Urheberrechtsgesetz geschützt sein sollte. Bei den Synchronstimmen handle es sich um Stereotypen, die auf den kindlichen Empfänger ausgerichtet seien. Sie zeichneten sich nicht durch eine besondere Finesse oder Variabilität je nach Ausdruck, Stimmung und Gefühlslage der Charaktere aus, sondern seien allesamt eindimensional, kindlich überzeichnet und ermüdend in ihrer Uniformität.

Synchronisationsregie, welche bloß mit Erstellung einer anderen Sprachfassung befasst sei, sei außerdem nicht mit der Regieleistung der gesamten Produktion gleichstellbar. Die Synchronisationsregie habe schließlich lediglich sicherzustellen, dass die durch die Originalfassung bereits vorgegebene Szene übersetzt wiedergegeben werde. Daher sei der Gestaltungsspielraum durch die vorgegebene Originalfassung und etwaige Schöpfungsmöglichkeiten äußerst eingeschränkt.

Zudem handle es sich bezüglich des Dialogs bei der Übersetzung aus der englischen Sprache weitgehend um einzelne Sätze, die sich auf sprachlich einfachstem Niveau bewegten. Die Synchronisation selbst erfolge in einzelnen Takes, wobei jeder lediglich aus 5-10 Worten bestehe und ca. 5 Sekunden dauere. Da bereits kurzen Wortfolgen in der Regel der urheberrechtliche Schutz fehle, fehle auch den entsprechenden Dialogbestandteilen die Werkeigenschaft. Eine künstlerische Darbietung i.S.d. § 73 UrhG scheide daher aus.

Urteil: Tätigkeiten sind geschützt

Das LG Hamburg sah alle Tätigkeiten als geschützt an. Zunächst käme den deutschen Dialogbüchern bereits ein eigener Werkschutz als Schriftwerk i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG zu. Gegen eine persönliche geistige Schöpfung erkannte das Gericht an, dass der Gestaltungsspielraum vorliegend aufgrund der englischen Sprachfassung und der vorgegebenen Geschichte begrenzt sein mag. Jedoch bestand durchaus Spielraum, welcher sich klar zeige, wenn man Originale und Übersetzungen nebeneinanderlegt. Dieser Spielraum wurde auch ausgenutzt. Insbesondere mussten die Dialogbuchautoren auch einige Fantasiewörter entsprechend übersetzen, bspw. „schlafidi-schliefidi“ aus der Vorlage „sleepity-dipity“.

Auch der Regieleistung als Synchronregisseur komme ein eigenständiger Werkschutz i.S.d. § 2 Abs. 2 UrhG zu, da sie sich als persönliche geistige Schöpfung der Klägerin darstelle. Bei Filmwerken ist es allgemein anerkannt, dass es sich bei der Leistung des Filmregisseurs um eine gestalterische, schöpferische Leistung i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 6 UrhG handelt, weil mit ihr der erfundene bzw. vorgegebene Stoff ins Bildliche umgewandelt bzw. dergestalt festgehalten wird. Nichts anderes könne für die Synchronregie gelte, bei der ein wesentliches Augenmerk neben der ausdrucksgerechten Wiedergabe des Textes gleichzeitig auf der sog. Lippensynchronität liegen muss. Dieser Spielraum bestehe auch noch bei einer Animationsserie in ausreichendem Umfang.

Und schließlich stellten die Synchronsprecherleistungen künstlerische Darbietungen i.S.d. § 73 UrhG dar. Es handelt sich dabei um ein Leistungsschutzrecht ausübender Künstler, welches dem Urheberrecht ähnlich gestellt ist. Die Synchronsprecher hätten die zugrundeliegenden Werke (Dialogbücher) künstlerisch dargeboten. Denn die künstlerische Interpretation eines Sprachwerkes erschöpfe sich nicht in der akustischen Textwiedergabe, hätten die Kläger durch den spielerischen Einsatz ihrer Stimmen auch den Charakter der Animationsfiguren geprägt, wofür auch der Umstand streitet, dass die Tonspuren ihrer Stimmen ohne Veränderung für die Hörspiele adaptiert werden konnten. Die kurzen Takes verringerten zwar den Spielraum, er war jedoch noch ausreichend.

Zudem verstieß die Beklagte gegen das Namensnennungsrecht der Urheber und Künstler gem. §§ 13, 74 Abs. 1 S. 2 UrhG. Die Kläger hatten damals in AGB unterschrieben, dass der Nutzungsrechtsinhaber auf die Nennung verzichten darf. Das widerspreche jedoch grundlegenden Wertungen, wonach der Urheber jeweils im konkreten Fall einzeln entscheiden können muss, ob er von seinem Verzichtsrecht Gebrauch machen will oder nicht. Die Beklagte wurde also verurteilt, jeglichen entstandenen und künftig entstehenden Schaden zu ersetzen und Auskunft zu erteilen, wo und in welchem Umfang sie die Leistungen genutzt hat.


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Das Urheberrecht regelt die Rechte der Künstler, Musiker, Filmemacher, Schriftsteller und Softwareentwickler und ihrer Urheberwerke (Fotos, Filme, Texte, Musik und Software). Geregelt ist das Urheberrecht im Gesetz über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (UrhG). In dem UrhG wird der Urheber, sein Urheberpersönlichkeitsrecht und seine Miturheber definiert. Ferner wird bestimmt, wann ein Urheberwerk oder ein verwandtes Schutzrecht wie z.B. ein Lichtbild oder Laufbild vorliegt. Sodann werden die Verwertungsrechte der Urheber wie unter anderem das Recht der Verbreitung, Vervielfältigung oder öffentlichen Zugänglichmachung der schöpferischen Werke aber auch das Nutzungsrecht des Urhebers und Recht der Lizenzeinräumung an Urheberwerken manifestiert.

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