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Verdachtsberichterstattung - Wo sind die Grenzen?


Voraussetzungen einer Verdachtsberichterstattung

Bei der Verdachtsberichterstattung wird über einen Sachverhalt berichtet, wo die Wahrheit nicht erwiesen ist. Die Grenzen einer Verdachtsberichterstattung sind vom BGH bereits klar definiert. Es ist ständige Rechtsprechung, dass es hierfür vier kumulativer Voraussetzungen bedarf. Jüngst haben zum einen das OLG Frankfurt am Main über einen Eilantrag des Profi-Fußballers Moukoko und zum anderen das OLG Zweibrücken über einen Eilantrag eines lokalen Bauunternehmers in diesem Zusammenhang entschieden. Während Moukoko einen überwiegenden Erfolg gegenüber dem Nachrichtenmagazin SPIEGEL hatte, musste der Unternehmer die Berichterstattung über den Verdacht einer Straftat, wobei die Verurteilung noch nicht einmal rechtskräftig war, damit zugleich die Beeinträchtigung seines Persönlichkeitsrechts hinnehmen.

Zulässige Verdachtsberichterstattung (BGH, Urteil vom 31. Mai 2022, VI ZR 95/21):

  • Mindestbestand an Beweistatsachen, die für den Wahrheitsgehalt der Information sprechen
  • keine Vorverurteilung des Betroffenen: nicht durch präjudizierende Darstellung den Eindruck erwecken, der Betroffene sei der ihm vorgeworfenen Handlung bereits überführt
  • Stellungnahme des Betroffenen ist vor der Veröffentlichung einzuholen
  • Verdacht muss sich beziehen auf einen Vorgang von gravierendem Gewicht, dessen Mitteilung durch ein Informationsbedürfnis der Allgemeinheit gerechtfertigt ist


Grundsatz der Unschuldsvermutung

Verdachtsberichterstattungen sind häufig der Fall, wenn der Verdacht einer Straftat im Raum steht. In Deutschland gilt die Unschuldsvermutung als eines der Grundprinzipien des rechtsstaatlichen Strafverfahrens und wird abgeleitet aus Art. 20 Abs. 3 GG und ausdrücklich normiert in Art. 6 Abs. 2 EMRK. Das bedeutet, dass Verdächtige so lange als unschuldig gelten, bis ihre Schuld bewiesen wurde, also bis zu ihrer rechtskräftigen Verurteilung. Parallel zu der Unschuldsvermutung ist auch das allgemeine Persönlichkeitsrecht zu schützen.

Eine Verdachtsberichterstattung tangiert die Privatsphäre des Verdächtigten und kann seinen Ruf in der Öffentlichkeit schädigen. Es muss eine Abwägung mit dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit erfolgen. Auch wenn die Verdachtsberichterstattung in erster Linie bei Straftaten aufzufinden ist, gelten ihre Grundsätze und Grenzen für alle Fälle des Verdachts, deren Mitteilung das Persönlichkeitsrecht beeinträchtigen könnte. In der Entscheidung des OLG Frankfurt am Main über den Eilantrag des Profi-Fußballers Moukoko ging es zum Beispiel es um sein Alter sowie seine Herkunft im Zusammenhang mit seinen leiblichen Eltern. Diese sind gerade in der Fußballwelt Faktoren, die über die Reputation des Moukoko mitbestimmen können.

Informationsinteresse der Öffentlichkeit

Wie der BGH bereits ausgeführt hat, muss es sich bei dem Verdacht um einen Vorgang von gravierendem Gewicht handeln, dessen Mitteilung durch ein Informationsbedürfnis der Allgemeinheit gerechtfertigt ist. Dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Verdächtigten stehen die Meinungs- und Pressefreiheit der Presseorgane – wie z.B. SPIEGEL – sowie das Informationsinteresse der Allgemeinheit gegenüber. Nicht umsonst gilt die Presse als die „vierte Gewalt“ im System der Gewaltenteilung.

Für die Abwägung im Rahmen einer identifizierenden Verdachtsberichterstattung spielen vielerlei Faktoren eine Rolle. Zugunsten der Presse würden insbesondere die Art und Schwere der Straftat, die Betroffenheit der Allgemeinheit sowie die Eigenschaft des Verdächtigten als Person des öffentlichen Lebens sprechen. Auf der anderen Seite wären zugunsten des Verdächtigten unter anderem die Stufe der tangierten Persönlichkeitssphäre, insbesondere ob die Intimsphäre betroffen ist, sowie das Resozialisierungsinteresse, was gerade bei Jugendlichen und Heranwachsenden ein höchstsensibler Punkt ist, zu berücksichtigen.

OLG Frankfurt am Main - Moukoko

Eines der aktuellen Entscheidungen zur Verdachtsberichterstattung hatte das OLG Frankfurt am Main zu dem Eilantrag von Moukoko getroffen. Es wurde dem SPIEGEL untersagt, Behauptungen und Angaben bezüglich des Alters und der Herkunft von Moukoko zu verbreiten (OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 8.5.2024, Az. 16 U 33/23). Ausschlaggebend war in diesem Prozess, dass die Anhörung und damit die Möglichkeit des Moukoko zur Stellungnahme zu den wesentlichen den Verdacht stützenden Indizien nicht erfolgt hatten. Der Verdacht der Berichterstattung bezog sich darauf, dass Moukoko angeblich älter sei als bekannt und dass er andere leibliche Eltern habe.

SPIEGEL gelang aufgrund seiner Recherchen, die unter anderem auch Gespräche mit Angehörigen umfassen sollen, zu diesem Verdacht. Insbesondere galten die Gespräche als die wesentlichen Ausgangspunkte des Verdachts. Als ein wesentliches den Verdacht stützendes Indiz mussten diese Gespräche Moukoko zur Stellungnahme präsentiert werden. Dies geschah allerdings nicht. Die Äußerung des Kernverdachts allein reichte für die Einhaltung der journalistischen Sorgfaltspflichten auch nicht aus. Denn auf diese Weise konnte der Autor seine Recherchen und Ergebnisse gerade nicht kritisch hinterfragen und bei Bedarf Nachermittlungen anstellen. Es ist somit möglich, dass die Verdachtsberichterstattung bei erfolgter sorgfältiger Anhörung anders gestaltet wäre.

OLG Zweibrücken - Bauunternehmer

Jüngst entschied auch das OLG Zweibrücken zur Verdachtsberichterstattung über einen lokalen Bauunternehmer. Das OLG entschied, dass die Berichterstattung über die – noch nicht rechtskräftige – Verurteilung des Bauunternehmers zulässig war. Die Verurteilung hatte insoweit öffentliche Relevanz, dass der Bauunternehmer mit zwei Kandidaten einer anstehenden Ortsvorsteherwahl verwandt ist (OLG Zweibrücken, Beschluss vom 26.10.2023, Az. 4 W 23/23).

Die Verdachtsberichterstattung handelte zum einen von der erstinstanzlichen Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe auf Bewährung wegen Beleidigung, Nötigung, Bedrohung und versuchter gefährlicher Körperverletzung von Anwohnern sowie dem Vorwurf der Anwohner, dass dieser Bauunternehmer für den stark angestiegenen Lkw-Verkehr im Ort verantwortlich sei. Der Verdächtigte war in der Verdachtsberichterstattung jedenfalls von den Ortsbewohnern identifizierbar. Die Zeitung hat – wenn auch erst im Nachhinein – den Online-Artikel um die Information erweitert, dass das Urteil noch nicht in Rechtskraft erwachsen war.

Die Abwägung des Persönlichkeitsrechts mit der Meinungs- und Pressefreiheit sowie der Informationsfreiheit der Allgemeinheit ergab, dass die Verdachtsberichterstattung zulässig war. Gerade der Bezug von Wahlen zur freiheitlich demokratischen Grundordnung rechtfertigt eine größere Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts. Außerdem stellte die dem Verdacht zugrundeliegende erstinstanzliche Verurteilung – auch wenn die Rechtskraft noch nicht gegeben war – eine wahre Tatsachenbehauptung dar. Die Verwandtschaft eines vermeintlichen Straftäters zu Kandidaten der Ortsvorsteherwahl könnte das Gesamtbild der Kandidaten verändern. Gleiches gilt für den erhöhten LKW-Verkehr veranlasst durch den Bauunternehmer. Beide Punkte sind von besonderem Interesse ganz besonders für die Ortsbewohner.

Rechtliche Mittel gegen eine Verdachtsberichterstattung

Wenn man der Ansicht ist, durch eine Verdachtsberichterstattung eine ungerechtfertigte Persönlichkeitsrechtsverletzung erlitten zu haben, so ist es möglich, sich auf gerichtlichem Wege dagegen zu wehren.

Man kann klagweise oder im Wege des Eilantrags Unterlassung begehren. Daneben kommen die Gegendarstellung, der Widerruf, die Beseitigung, Berichtigung oder Ergänzung in Betracht. Außergerichtlich kann (zuvor) noch eine Abmahnung erteilt werden.

Relevant sind neben diesen Abwehrmaßnahmen noch die möglichen Ansprüche auf Schadensersatz oder Schmerzensgeld.


SBS Legal - Kanzlei für Medienrecht

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