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Der Bundesgerichtshof hat in einem Urteil vom 16.11.2022 (VIII ZR 383/20) entschieden, dass ein Verkäufer im B2B-Bereich stillschweigend auf die Rechtsfolgen aus § 377 Abs. 2, 3 HGB verzichten kann, wenn eindeutige Anhaltspunkte vorliegen, die der Käufer als endgültigen Verzicht des Rechts durch den Verkäufer verstehen darf. Solche Anhaltspunkte können jedoch nicht ohne Weiteres einem Schreiben des Verkäufers entnommen werden, mit dem der Käufer über die Bereitstellung eines Software-Updates informiert wird.
Gemäß § 377 HGB ist der Käufer verpflichtet, die gelieferte Ware unverzüglich zu untersuchen und etwaige Mängel unverzüglich zu rügen. Die genaue Zeitspanne, innerhalb derer die Untersuchung und Rüge erfolgen muss, richtet sich nach dem ordnungsgemäßen Geschäftsgang, den Handelsbräuchen und der besonderen kaufmännischen Sorgfaltspflicht. Bei offenen Mängeln muss die Rüge praktisch auf denselben Tag erfolgen, bei versteckten Mängeln muss die Rüge erst nach Entdeckung erfolgen, jedoch vor Verjährung. In Ausnahmefällen kann eine Unzumutbarkeit vorliegen, die den Käufer von seiner Untersuchungspflicht entbindet.
Wenn der Käufer seine Untersuchungs- und Rügepflicht nicht rechtzeitig erfüllt hat, kann er keine Gewährleistungsrechte mehr geltend machen kann, einschließlich des Rechts auf Rücktritt vom Kaufvertrag. Die Ware gilt in diesem Fall als vertragsgerecht und die Frage der vertragsmäßigen Beschaffenheit der Ware ist nicht mehr streitig. Dies gilt jedoch nur für diejenigen Mängel, die bei ordnungsgemäßer Untersuchung erkennbar waren.
Die Vorschrift des § 377 HGB wird streng ausgelegt, um eine schnelle Abwicklung der Handelsgeschäfte sicherzustellen. Der Verkäufer soll durch die unverzügliche Mängelrüge in die Lage versetzt werden, notwendige Dispositionen zu treffen, um mögliche Schäden zu vermeiden. Aus diesem Grund wird dem Käufer im Regelfall nur wenige Tage zur Rüge zugestanden. Eine Mängelrüge, die erst mehr als zwei Wochen nach der Entdeckung des Mangels erfolgt, gilt nicht mehr als unverzüglich im Sinne des § 377 Abs. 3 HGB.Die Klägerin, die als Kaufmann im Handelsregister eingetragen ist, verklagt einen Händler von Volkswagen-Fahrzeugen, welcher eine Tochtergesellschaft der Volkswagen AG ist. Die Klägerin hatte bei dem Händler ein Fahrzeug im April 2015 erworben und später erfahren, dass es mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestattet ist. Die Klägerin hatte den Kaufvertrag wegen arglistiger Täuschung angefochten und den Kaufpreis zurückverlangt sowie Lieferung eines Ersatzfahrzeuges gefordert. Die Fahrzeugherstellerin, Volkswagen AG, hatte im Oktober 2015 ein Software-Update entwickelt, um den vorschriftsgemäßen Zustand des Motors wiederherzustellen. Mit Schreiben vom 14. Oktober 2016 teilte die Fahrzeugherstellerin der Klägerin mit, dass das Software-Update bereitgestellt sei und die Klägerin, um das Update aufspielen zu lassen, einen Termin bei einem ihrer Servicepartner vereinbaren solle. Die Verkäuferin ist erst in ihrer Rücktrittserklärung vom 15.11.2016 ihrer Obliegenheit zur Mangelrüge nachgekommen.
In dem Gerichtlichen Verfahren ging es um die Frage, ob der Verkäufer stillschweigend auf den Einwand der verspäteten Mängelrüge verzichtet hatte. Das Landgericht wies die Klage aufgrund der verspäteten Mängelrüge ab, während das Berufungsgericht die Verkäuferin zur Rücknahme des Fahrzeugs verurteilte.
-Im vorliegenden Fall ist die Regelung des § 377 Abs. 3 HGB auf den zwischen der Käuferin und Verkäuferin geschlossenen Kaufvertrag anwendbar, da es sich um einen beiderseitigen Handelskauf gemäß § 343 HGB handelt. Die Verkäuferin hat ihre Pflicht zur Mängelrüge nicht erfüllt, wodurch der Mangel in der unzulässigen Abschalteinrichtung als genehmigt gilt. Die Verkäuferin hat erst in ihrer Rücktrittserklärung vom 15.11.2016 eine Mangelhaftigkeit des Fahrzeugs gerügt, was nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht als unverzüglich nach Entdeckung angesehen wird.
Mit Blick auf diese Maßstäbe war die Mängelanzeige der Autokäuferin vom 15. November 2016, die erstmalig mit ihrer Rücktrittserklärung erfolgte, nicht rechtzeitig. Der Mangel des Fahrzeugs, der aufgrund der unzulässigen Abschalteinrichtung vorlag, war für die Käuferin spätestens mit dem Schreiben vom 14. Oktober 2016 erkennbar, in dem die Herstellerin über das erforderliche Software-Update informierte. Dadurch erlangte die Käuferin (sichere) Kenntnis darüber, dass auch ihr Fahrzeug vom Diesel-Abgasskandal betroffen war. Selbst wenn die Käuferin aufgrund der Presseberichte nur den Verdacht eines Mangels hatte, hätte sie aufgrund des Schreibens der Herstellerin die Rügeobliegenheit nach § 377 Abs. 3 HGB erfüllen müssen.
Das Berufungsgericht hat das Schreiben der Beklagten vom 10. August 2017 als Grundlage für seine Entscheidung herangezogen, aber bei seiner Auslegung des Schreibens die anerkannten Auslegungsregeln nicht beachtet. Insbesondere hat das Gericht nicht den objektiv erklärten Willen der Parteien sowie die Begleitumstände und Interessenlage berücksichtigt. Das Revisionsgericht hat nur begrenzte Befugnisse, um die Auslegung von Individualerklärungen zu überprüfen
Der Bundesgerichtshof entschied, dass das Schreiben der Verkäuferin keinen stillschweigenden Rügeverzicht auf die Mängelrüge darstellte, da es lediglich auf die Update-Maßnahmen des Herstellers hinwies und kein Eingeständnis einer eigenen Einstandspflicht oder Mangelanerkenntnis enthielt. Für einen Verzicht auf die Mängelrüge müssen eindeutige Anhaltspunkte vorliegen, die als endgültiger Verzicht des Einwands der Verspätung interpretiert werden können. Ein bloßes Informationsschreiben über die Möglichkeit eines Software-Updates erfüllt diese Voraussetzungen jedenfalls nicht.
Im Bereich des beidseitigen gewerblichen Fahrzeugkaufs ist es wichtig, dass der Käufer etwaige Mängel unverzüglich anzeigt, da andernfalls die Ware als genehmigt gilt und der Käufer den Mangel nicht mehr reklamieren kann.
Basierend auf unserer Erfahrung können wir feststellen, dass im gewerblichen Bereich Käufer und Verkäufer oft die Pflicht zur unverzüglichen Mängelanzeige vernachlässigen. Deshalb ist es ratsam, jeden Mangel sofort schriftlich mit Zustellnachweis dem Verkäufer anzuzeigen, um einen vollständigen Verlust des Rechtsanspruchs zu vermeiden. Verkäufer hingegen sollten besonders bei allen Nachbesserungsmaßnahmen auf ihre Wortwahl achten, um eine Mangelanerkennung oder eine eigene Haftung auszuschließen.
Außerdem ist es für einen gewerblichen Käufer wichtig zu beachten, dass die Frist zur Mängelanzeige unverzüglich ist, d. h. in jedem Fall innerhalb weniger Tage erfolgen muss. Verkäufer sollten daher bei jeder Mängelanzeige die Unverzüglichkeit prüfen, um mögliche Haftungsansprüche zu vermeiden.
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