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Das OLG Karlsruhe hat sich mit der Abberufung eines Aufsichtsratsmitglieds aus wichtigem Grund beschäftigt (Beschluss vom 01.03.2022, Az.: 1 W 85/21). Im vorliegenden Fall ging es um die verhaltensbedingte Abberufung eines Aufsichtsratsmitglieds bei einem Verhalten, welches nicht im Rahmen des Aufsichtsmandats geschehen ist und die Frage, ob eine Abberufung trotzdem möglich ist. Über den Sachverhalt, die Wege der Abberufung und wann ein wichtiger Grund vorliegt, geht es im folgenden Artikel.
Aufsichtsratsmitglieder sind, wie der Name sagt, Mitglieder von einem Aufsichtsrat. Ein Aufsichtsrat ist für die Kontrolle und Überwachung des jeweiligen Vorstandes da. Wer Aufsichtsratsmitglied wird, kann zum Beispiel in einer Satzung vorgeschrieben sein, aber auch auf freiwilliger Basis gewählt werden. Jedes Mitglied wird für eine gewisse Zeit in das Amt des Aufsichtsratsmitglieds entsendet. Die Beendigung von dieser Amtszeit nennt sich Abberufung.
In dem vorliegenden Fall vom OLG Karlsruhe ging es darum, dass der Aufsichtsrat einer großen Gesellschaft die gerichtliche Abberufung eines seiner Mitglieder aus wichtigem Grund begehrt hat. Das Aufsichtsratsmitglied, um welches es ging, war bei der Gesellschaft als Arbeitnehmer beschäftigt und seit 2019 als Gewerkschaftsvertreter Mitglied des Aufsichtsrats, sowie Vorsitzender des Betriebsrats der Gesellschaft. Im Rahmen einer „Whistleblower“-Meldung wurde der Verdacht geäußert, dass das Aufsichtsratsmitglied über Jahre hinweg häufiger nicht zu der Arbeit erschienen ist, ohne dafür Urlaub beantragt zu haben. Daraufhin wurde eine interne Untersuchung eingeleitet. Diese Untersuchung versuchte das Aufsichtsratsmitglied zu manipulieren, indem E-Mails und Dateien so verändert wurden, dass aus diesen hervorging, dass der Beschuldigte seine Teilnahme an Betriebsratssitzungen mit der Begründung "Urlaub" abgesagt hätte. Später gab das Aufsichtsratsmitglied zu, diese manipuliert zu haben und führte als Begründung an, dass er seinem Arbeitskollegen habe helfen wollen. Das Arbeitsverhältnis mit dem Aufsichtsratsmitglied wurde daraufhin außerordentlich gekündigt. Da nicht zugleich auch die Abberufung als Aufsichtsratsmitglied erfolgte, wurde beim Registergericht die Abberufung beantragt. Für die Abberufung gibt es verschiedene Wege, hier wurde die Abberufung aus wichtigem Grund gem. Art. 9 Abs. 1 lit. c ii) SE-VO, § 103 Abs. 3 S. 1 AktG vorgebracht.
Für die vorzeitige Beendigung von der Amtszeit eines Aufsichtsratsmitglieds gibt es verschiedene Wege. Welcher Weg möglich ist, hängt zum Teil von der Art der Entsendung bzw. Wahl des Aufsichtsratsmitglieds ab. So wird unterschieden zwischen Mitgliedern, welche durch eine Hauptversammlung gewählt wurden und solchen, die durch eine Satzung entsandt wurden. Zudem können Mitglieder aufgrund einer mitbestimmungsrechtlichen Vorschrift abberufen werden. Unabhängig von diesen Möglichkeiten kann die Abberufung von allen Aufsichtsratsmitgliedern aus einem wichtigen Grund durch das Gericht erfolgen. Dieser Antrag kann allein vom Aufsichtsrat aufgrund eines Mehrheitsbeschlusses oder von einer qualifizierten Mehrheit der Aktionäre gestellt werden.
Eine gerichtliche Abberufung setzt das Vorliegen von einem wichtigen Grund in der Person voraus. Unerheblich ist, ob bereits zuvor eine andere Abberufung versucht wurde. Ein wichtiger Grund ist grundsätzlich dann gegeben, wenn eine Beeinflussung, im Bezug zur Aufsichtsratstätigkeit und ihrer Ausübung vorliegt. Der weitere Verbleib des Aufsichtsratsmitglieds im Aufsichtsrat, bis zum Ablauf seiner Amtszeit, muss für die Gesellschaft unzumutbar sein. Das ist erst dann der Fall, wenn die Funktionsfähigkeit des Aufsichtsrats erheblich beeinträchtigt wird oder Schäden bei der Gesellschaft zu erwarten oder bereits eingetreten sind.
So einen wichtigen Grund hat die Rechtsprechung zum Beispiel in Fällen bejaht, in denen ein Aufsichtsratsmitglied in die Geschäftsführung eingegriffen oder schwere Vorwürfe gegenüber anderen Aufsichtsratsmitgliedern erhoben hat. Auch im Falle eines Fernbleibens von Aufsichtsratssitzungen ist eine Abberufung gerechtfertigt, wenn eine Boykotthaltung nachweisbar ist. Nicht gesehen wird ein wichtiger Grund bei internen Konflikten zwischen einzelnen Aufsichtsratsmitgliedern, solange die Schwelle zur Behinderung der Aufsichtsratstätigkeit nicht überschritten wird.
Das Registergericht kam zur Entscheidung, das ein wichtiger Grund vorliegt und das OLG Karlsruhe hat die Entscheidung bestätigt und das Vorliegen eines wichtigen Grundes ebenfalls gesehen. Das OLG kommt zum Ergebnis, dass ein verhaltensbedingter wichtiger Grund für eine Abberufung sich nicht zwingend aus dem Verhalten als Aufsichtsratsmitglied ergeben muss, denn es würde genügen, wenn ein Zusammenhang zwischen dem Verhalten und der Aufsichtsratstätigkeit erkennbar ist und sich auf die Tätigkeit und Gesellschaft auswirkt. Dafür reichen bereits Reputationsschäden der Gesellschaft, die auf einem ethischen Fehlverhalten außerhalb des Aufsichtsratsmandats beruhen. Das Aufsichtsratsmitglied hat das Vertrauen der Gesellschaft in seine persönliche Integrität und Zuverlässigkeit zerstört. Er ist daher ungeeignet für eine Überwachung des Vorstands als Aufsichtsratsmitglied der Gesellschaft, weshalb ein wichtiger Grund vorgelegen hat.
Die Entscheidung des OLG zeigt, dass die Abberufung eines Aufsichtsratsmitglieds nicht nur aufgrund von Fehlverhalten in der Funktion als Aufsichtsratsmitglied erfolgen kann, sondern auch darüber hinaus, wenn ein Fehlverhalten vorliegt, welches nicht in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Tätigkeit als Aufsichtsratsmitglied steht. Das ist insbesondere dann von Bedeutung, wenn das Mitglied zugleich in derselben Gesellschaft als Arbeitnehmer tätig ist und aufgrund seiner Gewerkschaftstätigkeit einen Platz im Aufsichtsrat erhielt. Durch eine außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses entfällt die Tätigkeit im Aufsichtsrat nämlich nicht zugleich.
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