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| Urheberrecht

Muss YouTube Daten von Raubkopierern herausgeben?


Im EU-Recht ist nur von „Name und Anschrift“ die Rede. E-Mail-Adressen, Telefonnummern und IP-Adressen seien damit nicht gemeint.

Dass Filme illegal auf YouTube hochgeladen werden, ist ein bekanntes Problem, gegen das die Filmindustrie schon seit Jahren ankämpft. So fordert derzeit Constantin Film Verleih Schadensersatz von drei Nutzern, die 2013 und 2014 die Kinofilme „Parker“ und „Scary Movie 5“ auf YouTube eingestellt hatten. Um diese belangen zu können, benötigt die Filmverleih- und Produktionsfirma allerdings entsprechende Daten. Aber YouTube weigert sich, E-Mail-Adressen, Telefonnummern und IP-Adressen herauszugeben. Ist das legitim? Oder ist Googles Tochterfirma urheberrechtlich verpflichtet, über die Daten von Raubkopierern Auskunft zu geben?


Was sagt das Gesetz?

Das deutsche Urheberrechtsgesetz (UrhG) von 1990 besagt in §101: Der zur Auskunft Verpflichtete (in diesem Fall YouTube) muss „Namen und Anschrift“ herausgeben. Das EU-Recht formuliert es ähnlich: Von Urheberrechtsverstößen Betroffene haben Anspruch auf Auskunft über „Namen und Adressen“ (Artikel 8, Absatz 2a (Richtlinie 2004/48/EG)).

Eben diese Informationen hat YouTube normalerweise aber nicht. Die meisten Nutzer melden sich nicht mit ihrem echten Namen auf der Plattform an und hinterlegen nicht ihre Postanschrift – ihre E-Mail-Adresse und manchmal auch Telefonnummern hingegen schon. Diese Daten möchte Constantin Film deswegen bekommen. Nun ist es eine Auslegungssache, ob die Herausgabe solcher Daten im Rahmen des Auskunftsanspruchs rechtlich erlaubt ist. Umfasst die Formulierung „Namen und Anschrift“ bzw. „Namen und Adressen“ auch E-Mail-Adressen, IP-Adressen und Telefonnummern – damit man Raubkopierer verfolgen kann?


Constantin Film kämpft sich durch alle Instanzen. Auch der EuGH mischt mit

Die Klage der Filmfirma wurde 2016 vom Landgericht (LG) Frankfurt um Main zuerst abgewiesen. Constantin ging in Berufung und zwei Jahre später, 2018, gaben die Richter am Oberlandesgericht (OLG) in Frankfurt der Klage dann doch teilweise statt: YouTube müsse die E-Mail-Adressen der Raubkopierer herausgeben, nicht aber IP-Adressen und Telefonnummern. Wieder ging Constantin in Berufung.

Weitere zwei Jahre später soll nun im Dezember das Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) als höchstrichterliche Instanz kommen. Dieser hatte anfänglich die Einschätzung geäußert, dass mit „Anschrift“ heutzutage auch E-Mail-Adressen und Telefonnummern gemeint seien. Denn Smartphones würden per SMS und WhatsApp ja auch für schriftliche Kommunikation genutzt werden – so wie früher die Postanschrift für Briefe. Immerhin stammt die entsprechende Stelle im UrhG noch von 1990 und ist damit also nicht mehr auf dem Stand unserer heutigen digitalen Zeit.

Allerdings ist das deutsche UrhG nicht das einzig relevante Recht in dieser Sache. Auch die EU hat eine Richtlinie zum Urheberrecht, die es in der Urteilsfindung zu beachten gilt:

EuGH zur Vorabentscheidung herangezogen

Der Karslruher Richter wollten vom EuGH wissen, wie die Europäische Richtlinie 2004/48/EG auszulegen ist. Bezieht sich die Auskunftspflicht („Adressen“) in Artikel 8, Absatz 2a auch auf E-Mail-Adressen, Telefonnummern und IP-Adressen? Nein, urteilten die Richter in Luxemburg am 09. Juli dieses Jahres. Nach EU-Recht sei YouTube also nicht für eine Herausgabe der besagten und von Constantin geforderten Informationen verpflichtet. Constantin Film könne nur die postalischen Adressen und Nutzernamen der Raubkopierer verlangen. Konkret heißt das hier: der Nutzername „Whole movies for you“ und ein ausgedachter Straßenname.

Dieses EuGH-Urteil haben die bundesdeutschen Richter in ihrer Verhandlung vom 15.10.2020 eingebracht, sodass sich dort andeutete, dass die Klage der Filmfirma keinen Erfolg haben wird. YouTube muss die Daten von Raubkopierern wahrscheinlich nicht an den Rechteinhaber Constantin Film herausgegeben. Das endgültige Urteil des BGH soll am 10.12.2020 verkündet werden (Az. I ZR 153/17).


Bringen die geforderten Daten Constantin Film überhaupt etwas?

Zwar argumentiert Constantin Film, dass der gesetzliche Auskunftsanspruch sinnlos sei, wenn er sich nur auf Daten bezieht, die YouTube ja gar nicht hat, nämlich echte Namen und Anschriften. Allerdings ist sowieso umstritten, ob die stattdessen geforderten E-Mail- und IP-Adressen und Telefonnummern mehr bringen würde. Oft führen solche Auskunftsklagen sowieso zu keiner Person und damit ins Leere.

Im Kampf gegen Urheberrechtsverstöße in Form von Raubkopien wird deswegen vorrangig eine andere Strategie angewandt: das sogenannte Content-ID-System. Hier können Medienkonzerne ihre Dateien in einer Datenbank hochladen. Eine Software gleicht dann Videos, die auf YouTube hochgeladen werden, mit der Datenbank ab. Wird tatsächlich ein geschützter Film veröffentlicht, kann das entsprechende Video auf YouTube geblockt werden. Oder aber der wahre Rechteinhaber schaltet selbst Werbung – und verdient damit Geld an seinem (eigentlich widerrechtlich von jemand anderem hochgeladenen) Werk. So trägt YouTube vor, dass mittlerweile schon viele Medienkonzerne entsprechende Lizenzvereinbarungen mit ihm geschlossen hätten.


Bundesjustizministerium plant Urheberrechtsreform

Dass im vorliegenden Rechtsstreit der EuGH zur Vorabentscheidung konsultiert werden musste, zeigt abermals die Verflechtung europäischen Rechts mit deutschen Gesetzen. Deshalb wird in Deutschland nach zwei Jahrzehnten derzeit das Urheberrecht reformiert und an entsprechende EU-Richtlinien angepasst (an die DSM-Richtlinie (EU) 2019/790 und die Online-SatCab-Richtlinie (EU) 2019/789). Die Frist dafür liegt beim 7. Juni 2021. Noch muss der Bundestag den entsprechenden Gesetzesentwurf, den das Bundesjustizministerium am 13.10.2020 veröffentlicht hat, diskutieren und ihm zustimmen.

europa internet copyright

„Wenn es rechtlich etwas zu regeln gibt, dann ist der Gesetzgeber längst dabei.", spricht YouTube sich deswegen gegen die Forderungen der Filmindustrie aus, den bestehenden Auskunftsanspruch weiter auszulegen als z.B. bloß auf das Herausgeben von „Namen und Anschriften“.

Mit dem geplanten Gesetz wird u.a. YouTube strenger in die Pflicht genommen, Urheberrechtsverstöße abzuwehren. Das US-Unternehmen soll entweder Lizenzen für die Inhalte erwerben, die Nutzer hochladen, oder urheberrechtlich geschützte Werke einfach ganz von der Plattform löschen (Artikel 3, §20 – „Auskunftsrechte“). Das bezieht sich auf Artikel 17 der europäischen DSM-Richtlinie – der früher noch „Artikel 13“ hieß. Aus Sorge vor Upload-Filtern, die die Meinungsfreiheit einschränken könnten, hatte diese Passage im geplanten EU-Urheberrecht 2019 zu Protesten in der Bevölkerung geführt.


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