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| Arbeitsrecht, Compliance

Mein Mitarbeiter ist als Zeuge geladen! Was soll ich tun?


Zentrale Frage: Zulässigkeit der Zeugenvorbereitung?

Umstritten ist, ob Parteivertreter im Zivilprozess Zeugen auf ihre Aussage vorbereiten dürfen.

Wird dem Arbeitgeber bzw. Unternehmen beispielsweise ein Compliance‑Verstoß vorgeworfen, kann es dazu kommen, dass z. B. Mitarbeiter als Zeugen vor Gericht geladen werden. Die Aussagen von Zeugen sind in einem Verfahren oftmals von zentraler Bedeutung.

Doch dürfen die Zeugen auf ihre Aussage vor einem Zivilgericht vorbereitet werden? Dies wurde in den vergangenen Monaten intensiv diskutiert. In einem Fall hat dieser Umstand gar staatsanwaltschaftliche Ermittlungen wegen versuchten Prozessbetrugs gegen die Zeugen ausgelöst.

Anlass für die strafrechtlichen Ermittlungen gaben dabei Unterlagen der Bank, die aufzeigten, dass die Beschuldigten auf ihre Aussagen von internen Juristen und Rechtsanwälten der Bank vorbereitet wurden. So wurden unter anderem im Rahmen einer simulierten Gerichtsverhandlung (sog. mock trial) Fragen in Bezug auf das konkrete Beweisthema gestellt und Antwortvorschläge für die Beschuldigten verfasst. Dies wurde in der Öffentlichkeit teils heftig kritisiert.

Nicht in Vergessenheit darf dabei aber, dass die Vorbereitung von Zeugen nach deutschem Recht nicht per se verboten ist. Die Grenzen eines solchen Vorgehens wurden bisher nur vereinzelt näher beleuchtet. Derzeit spielt sich die Thematik der Zeugenvorbereitung letztlich (noch) in einer rechtlichen Grauzone ab.


Zeugenvorbereitung - Was ist das eigentlich genau?

Doch was versteht man eigentlich genau unter Zeugenvorbereitung? Eine gesetzliche Definition existiert nicht. Gemeint ist letztlich der Informationsaustausch zwischen einem potentiellen Zeugen und einem Parteivertreter, welcher die zukünftige Aussage des Zeugen in einem Zivilverfahren betrifft. Dabei kann der Zeuge sowohl auf Befragungen zur Sachverhaltsermittlung, auf formelle Aspekte des Verfahrens (hierdurch soll der Zeuge mit den formalen Aspekten des Verfahrens vertraut gemacht werden) sowie auf die Inhalte der Vernehmung vorbereitet werden. Inhaltliche Zeugenvorbereitung – Inhalt und Grenzen Bei der inhaltlichen Zeugenvorbereitung wird der Zeuge z. B. in simulierten Gerichtsverhandlungen (mock trials) mit dem Beweisthema und möglichen Fragen des Gerichts konfrontiert. Teils werden die Antworten des Zeugen sodann von den Anwälten bewertet oder gar Musterantworten erarbeitet bzw. schriftlich vorbereitet. Hier ist Zurückhaltung gefragt, denn eine verfremdende Beeinflussung der Zeugenaussage ist zu vermeiden.


Zeugenvorbereitung im staatlichen Zivilprozess nach deutschem Recht

Eine ausdrückliche gesetzliche Regelung, die Zulässigkeit und Grenzen der Zeugenvorbereitung benennt, fehlt. Lediglich das Strafrecht zeigt gewisse Grenzen auf. Hier ist jedoch lediglich die bewusste Verleitung des Zeugen zu einer wahrheitswidrigen Aussage vor Gericht verboten. Dem Zivilprozessrecht sind keine Beschränkungen der Zeugenvorbereitung zu entnehmen, die über die strafrechtlichen Grenzen hinausgehen.

Strafrechtliche Grenzen 

Etwaige Grenzen der Zeugenvorbereitung können sich zum einen unter bestimmten Voraussetzungen aus den Aussagedelikten, §§ 153 ff. StGB, sowie der Strafbarkeit des Prozessbetrugs, § 263 StGB, ergeben. So macht sich ein Rechtsanwalt, welcher den Zeugen bewusst zu einer vorsätzlichen wahrheitswidrigen Aussage vor Gericht bestimmt, wegen Anstiftung zur falschen uneidlichen Aussage nach §§ 153, 26 StGB oder wegen Anstiftung zum Meineid nach §§ 154, 26 StGB strafbar. Sagt der Zeuge vorsatzlos falsch aus, kommt eine Strafbarkeit des Rechtsanwalts wegen Verleitung zur Falschaussage in Betracht, § 160 StGB. Somit wird die inhaltliche Zeugenvorbereitung teils durch die Aussagedelikte begrenzt.

Auch der Straftatbestand des Prozessbetrugs sollte im Blick behalten werden. Voraussetzungen für eine Strafbarkeit des Rechtsanwalts wegen Prozessbetrugs gem. § 263 StGB sind eine Täuschung sowie ein Irrtum des Gerichts, welches irrtumsbedingt im Urteil zu Lasten der Gegenpartei über deren Vermögen verfügt. Dabei muss der Rechtsanwalt vorsätzlich und mit der Absicht gehandelt haben, sich oder seinem Mandanten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen.

Zivilprozessordnung – Mögliche Grenzen der Zeugenvorbereitung?

Im Grunde lässt sich die Zeugenvorbereitung mit dem Zweck des Zivilverfahrens, die Wahrheit zu ermitteln, in Einklang bringen und kann die Wahrheitsfindung gar fördern bzw. die Verfahrensrechte des Zeugen wahren.

Die Wahrheitsermittlung ist eines der zentralen Ziele des Zivilprozesses. Der Zeuge ist zur wahrheitsgemäßen Aussage verpflichtet und jedwede Handlung, die der Wahrheitsermittlung zuwiderläuft, ist verboten.

Insgesamt ist es so, dass die Zeugenvorbereitung der Wahrheitsermittlung förderlich sein kann. Es sei denn, der anwaltliche Berater veranlasst den Zeugen dazu, von seiner subjektiven Erinnerung abweichend auszusagen.

Die Legitimation der Zeugenvorbereitung in Form der Zeugenbefragung zur Sachverhaltserforschung ergibt sich bereits aus dem Gedanken der Wahrheitsermittlung. Ein Rechtsanwalt wird in aller Regel dazu angewiesen sein, einen Sachverhalt vor Klageerhebung mit Hilfe von Zeugen aufzuklären, denn die Informationen des Mandanten sind nicht selten ungenau oder unvollständig.

Auch kann es der Wahrheitsermittlung dienlich sein, einen Zeugen im Rahmen der formellen Vorbereitung mit dem Verfahrensablauf vertraut zu machen. Hierdurch kann der Zeuge Sicherheit gewinnen, wodurch sich sodann Glaubhaftigkeit und Glaubwürdigkeit des Zeugen bzw. dessen Aussage sicherstellen lassen können. Nicht zuletzt verbessert es die Qualität der Beweisaufnahme, nimmt ein Zeuge die Unterrichtung über seine Pflichten (z. B. Vorbereitungspflicht, § 378 ZPO) zum Anlass, seine Erinnerung anhand von Unterlagen vor dem Prozess aufzufrischen.

Doch wie steht es um die inhaltliche Zeugenvorbereitung in Form von vorformulierten Antworten und Probebefragungen? Während in den USA derartige Maßnahmen akzeptiert und häufig praktiziert werden, wurden diese in England und Wales verboten. Mock trials unter Beteiligung von Anwälten (Barristern) sind in England und Wales nur zulässig, wenn sie keinen Bezug zum konkreten Fall aufweisen.

Allerdings kann auch die übungsweise Befragung eines Zeugen im Grunde das Ziel der Wahrheitsermittlung fördern. So können derartige Simulationen dahingehend hilfreich sein, dass der Zeuge seine Antworten so formuliert, dass Missverständnisse des Gerichts vermieden werden können. Die gleiche Wirkung können etwaige vorbereitete Formulierungshilfen haben. Wäre die Zeugenvorbereitung verboten, hätte die Partei mit den gerichtserfahreneren Zeugen einen Vorteil. Die Zeugenvorbereitung kann somit auch derart verstanden werden, dass sie schlicht die Waffengleichheit zwischen den Parteien sicherstellt.

Zwar enthält die Zivilprozessordnung entsprechende Mittel und Wege zur Präzisierung von Zeugenaussagen, z.B. etwaige (Nach)Fragerechte. Dies steht jedoch einer Vorbereitung des Zeugen auf den Inhalt seiner Vernehmung nicht entgegen. Denn unter verfahrensökonomischen Gesichtspunkten ist es vorteilhaft, wenn der Richter von diesen Mitteln nicht Gebrauch machen muss. Somit sind die Fragerecht der ZPO nicht als Instrumente zu verstehen, welche die Zulässigkeit der Zeugenvorbereitung beschränken (sollen).

Ein aber wirklich sehr schlagkräftiges Argument für die Zulässigkeit der inhaltlichen Zeugenvorbereitung lässt sich aus § 378 Abs. 1 S. 1 ZPO entnehmen. Der Zeuge soll dabei vor der mündlichen Verhandlung sein Gedächtnis anhand von Aufzeichnungen und anderen Unterlagen auffrischen, sofern dies möglich ist. Diese Vorschrift trägt dem Gedanken Rechnung, dass das Erinnerungsvermögen eines Zeugen begrenzt ist und eine Zeugenaussage bereits vor dem Prozess vorbereitet werden muss.

Der Parteivertreter muss sich selbstverständlich stets darauf beschränken, den Bedeutungsgehalt der Zeugenaussage zu verdeutlichen, darf jedoch nicht auf den konkreten Bedeutungsgehalt der Aussage einwirken.

Zeugenvorbereitung als hilfreiches Instrument zur Wahrung der Zeugenrechte

Eine inhaltliche Zeugenvorbereitung ist auch deshalb sinnvoll, da hierdurch Zeugenrechte gewahrt werden können. Gemäß § 384 ZPO steht dem Zeugen ein Zeugnisverweigerungsrecht unter anderem bezüglich Fragen zu, deren Beantwortung ihm oder einer ihm nahestehenden Person gemäß § 383 Nr. 1-3 ZPO einen unmittelbaren vermögensrechtlichen Schaden verursacht, zur Unehre gereicht oder die Gefahr der Strafverfolgung oder der Verfolgung wegen einer Ordnungswidrigkeit nach sich ziehen würde. Vielfach wird es dem Zeugen nicht möglich sein, zu erkennen, wann seine Aussage die Grenze zur Selbstbelastung überschreitet und sein Zeugnisverweigerungsrecht eingreift. Das Gericht muss ihn hierüber nicht belehren. Wichtig ist daher Unterstützung von rechtskundiger Seite und es kann äußerst hilfreich sein, die Aussage vor dem eigentlichen Gerichtstermin im Rahmen einer Probebefragung mit einem erfahrenen Anwalt durchzuspielen.

Grundsätzliche Zulässigkeit der Zeugenvorbereitung - auch in internationalen Schiedsverfahren

Insgesamt gilt es somit festzuhalten, dass die Zeugenvorbereitung im staatlichen Zivilprozess nach deutschem Recht wohl zulässig ist und lediglich die bewusste Veranlassung der Zeugen zu wahrheitswidrigen Aussagen strafrechtlich sanktioniert wird. Auch aus dem staatlichen Zivilprozessrecht folgt, dass ein Anwalt nicht bewusst eine Aussage des Zeugen herbeiführen darf, die von der Erinnerung des Zeugen an das tatsächliche Geschehen abweicht. Die Zeugenvorbereitung kann einen Beitrag zur Verwirklichung der Ziele der ZPO leisten, insbesondere kann die Vorbereitung der Ermittlung der Wahrheit durch das Gericht dienen. Teils verhilft die (formelle und inhaltliche) Zeugenvorbereitung zudem dazu, die Zeugenrechte zu wahren.

Diese Grundsätze gelten wohl auch im internationalen Schiedsverfahren mit Sitz in Deutschland. Auch hier ist die Zeugenvorbereitung nicht weiter gesetzlich beschränkt. Durch vertragliche Vereinbarung der Parteien sowie durch verfahrensleitende Verfügungen des Schiedsgerichts kann die Zeugenvorbereitung im Einzelfall selbstredend eingeschränkt werden.

Nichtsdestotrotz sollte von dem Mittel der Zeugenvorbereitung mit Augenmaß Gebrauch gemacht werden, denn ansonsten besteht die Gefahr, dass die Aussage einstudiert wirkt und hierdurch an Glaubhaftigkeit verliert. Der Beweiswert einer auswendig gelernten Zeugenaussage ist gering.


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